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Halle

100 Jahre Schützenhalle in Ostwig 2012

„Wer glaubt ein Christ zu sein, weil er die Kirche besucht, irrt sich. Man wird ja auch kein Auto wenn man in einer Garage steht.“ (Albert Schweizer)

Wird man Schützenbruder wenn man die Schützenhalle besucht?
Seit der Gründung der Sankt Antonius Schützenbruderschaft Ostwig 1873 bis 1912 besaßen die Ostwiger Schützenbrüder keine Schützenhalle; die Schützenfeste wurden in einem Lakenzelt auf „Ommes Wiese“ (Heikenfeld Hauptstraße) gefeiert. Auch in Zelten kann man zünftig feiern, die Bayern und einige unserer Sauerländer Bruderschaften, die über kein festes Gebäude verfügen, beweisen es alljährlich.
Der Ort, das Gebäude, sei es Zelt oder Halle können also nicht so entscheidend sein für eine intakte „Schützengesellschaft“, so hießen wir damals noch.
Oder ist es etwas anderes, was den Reiz unserer mittlerweile 100jährigen „rüstigen alten Dame“ ausmacht?
Zurück zu den Anfängen; zu den alten Chroniken:
Die Schützenfeste unterm Lakenzelt haben der ganzen Dorfgemeinschaft besondere Festfreude bereitet. Schon das vorherige Aufziehen des Zelttuches auf das Balkengerüst durch die Schützenbrüder waren auch für die Kinder frohe Stunden, auf die sie sich Wochen vorher freuten. Beim Ausrollen und Aufziehen des Zelttuches krochen und tummelten sich die Kinder. Hieran sollen sich zum Spaß der Kinder auch Erwachsene beteiligt haben. Es ist weiter bekannt, dass sich mehrere Jahre während des Schützenfestes durch Regengüsse Wasserbeulen auf dem Lakenzelt bildeten, die von starken Schützenbrüdern des Vorstandes mit schweren Holzstangen abgestoßen wurden. Die draußen Unterstehenden bekamen dann eine kalte Dusche, die mit unwilliger Freude aufgenommen wurde.
Weiter unten im Text heißt es: Nach schwierigen Verhandlungen in den Jahren 1909/11 wurde das Schützengrundstück gegenüber der alten Schule von Gerke-Nieder-Körling zum Kaufpreis von M 1 600,- erworben. Als Eigentümerin ist die Schützengesellschaft im Grundbuch beim Königlichen Amtsgericht in Meschede am 8. Juli 1911 eingetragen worden.
Der Bau der Halle wurde in der Generalversammlung am 3. September 1911 einstimmig beschlossen und der Gesamtvorstand unter Schützenhauptmann Anton Knippschild mit weitern 9 Schützenbrüdern als Baukomitee mit Vorbereitungen beauftragt.
Am 7. September 1911 vergab das Baukomitee die Arbeiten wie folgt:
 
Maurerarbeiten an Maurermeister Johann Liese, Alfert, zu 3% unter Kostenanschlag
Zimmerarbeiten an Zimmermeister Susewind, Olsberg zum Preise von M 5 990,-
Dachdeckerarbeiten an Dachdeckermeister Einheuser, Eversberg, zum Preise von M 2 040,-
Klempnerarbeiten an Klempnermeister Simon, Velmede, zum Preise von M 125,-
Schreinerarbeiten an Schreinermeister Peter Busch, Ostwig, zum Preise von M 1 195,-
Schlosserarbeiten an Schlossermeister Karl Brücher, Nuttlar, zum Preise von M 970,-
Anstreicherarbeiten an Anstreichermeister Josef Klauke, Ostwig, zum Preise von M 575,-

Als Inventar wurden dem Schreinermeister Ferdinand Gerke in der Generalversammlung 19 Tische und 38 Bänke zur Anfertigung übertragen, zum Preise von M 17,25 für 1 Tisch und 2 Bänke à 3 m lang. Die Anlage der Wasserleitung übernahm am gleichen Tage Schützenbruder Lorenz Friedhoff, die Bierleitung Schützenbruder Klempnermeister Hubert Knippschild, hierselbst. Den Handwerkern wurde aufgegeben, die Arbeiten bis 12. Juni 1912 fertig zu stellen.

Das erste Schützenfest in der neuen Halle konnte um den Antonius-Tag, 13. Juni 1912, gefeiert werden. Alsdann ging man an den inneren Hallenausbau mit Jugendheim, welches den örtlichen Vereinen nach Bedarf zur Verfügung stand.

Schon damals wurde wie beiläufig in einem Nebensatz erwähnt, dass Teile der Schützenhalle den örtlichen Vereinen nach Bedarf zur Verfügung gestellt wurden. Und so ist es bis heute geblieben.
Der berechtigte Stolz auf unsere Schützenhalle, die Identifikation der Ostwiger mit diesem Gebäude hat sich über die Jahrzehnte manifestiert, die Ostwiger haben die „Grand Dame“ in ihren einzigartigem Fachwerkgewand lieb gewonnen. Von Kindergartenkindern bis zu den Seniorengruppen, alle Altersschichten nutzen das Gebäude bei unterschiedlichen Anlässen.
Es würde den Rahmen dieses Berichts sprengen, auflisten zu wollen wozu unsere Schützenhalle im Laufe der Jahrzehnte alles gedient hat.
Vor dem Krieg als Getreidelager des Kornhauses Bestwig, daher fand das letzte Schützenfest vor dem Krieg (1939/ 17. – 19. Juni) zusätzlich noch in einem Lakenzelt statt. Im Krieg bis 1945 war in der Schützenhalle ein Wehrmachtslager vom Luftgaukommando Meschede untergebracht. Daher sollte die gesamte Halle mit dem „kriegswichtigen“ Lagergut gesprengt werden.
Es wurde aber von Ostwiger Schützenbrüdern erreicht, dass das gesamte Lagergut vor der Schützenhalle unter Aufsicht verbrannt wurde, die Schützenhalle wurde erhalten!!
Nach der Neugründung der St. Antonius Schützenbruderschaft Ostwig 1873 e.V. am 22.02.1948 mußte die fast unbrauchbare Halle so gut wie der Zeit möglich wieder in Stand gesetzt werden, für das erste Schützenfest, 1949, bzw. für den ersten Schützenball 1948 am 20. Juni.
Zehn Notwohnungen, so genannte Behelfswohnungen befanden sich damals in unsere Halle, für Evakuierte und ausgebombte Familien. Der Kindergarten fand hier eine Bleibe. Der Turnverein benutzte das so genannte Jugendheim als Turnboden.
Die Pfarrkirche wurde renoviert – die hl. Messen fanden in der Schützenhalle statt; der Bogen der Nutzung ist weit gespannt bis zur Messfeier nach der gemeinsamen Fronleichnamsprozession von Ostwigern und Nuttlarern.
2011, das hätte sich die „alte Dame“ nie träumen lassen, zu viel ist unter ihrem Dach über unsere Nachbarn aus Nuttlar hergezogen worden.
Legendäre Karnevalsfeiern in den 50er Jahren hat sie erlebt; Assmans Helmut als phänomenaler Präsident!
Ostwig, das „singende Dorf“, hat sie beherbergt, 140! Sänger führten Operetten (Das weisse Rössel) und Straußwalzer auf.
Es gab so etwas wie heute den André Rieu der frühen 60er Jahre; Ernst Hoffmann (Nuttlar) der Dirigent der Concordia Ostwig. Die letzte Aufführung dieser Art wurde unter dem Titel „Aus der guten alten Zeit“ inzeniert. Augustinus Nieder als „Bin nur ein Jonny“, Karl Gödde als singender „Dr. Eisenbart“, Margret Dünnebacke mit dem Operetten- Vilgalied wurden umjubelt.
Frauenkarneval, Kindergarten-Entlassfeier, Kindergarten-Sommerfest die Caritas, die Katholische Frauengemeinschaft, man kann nicht alle Gäste in unserer Halle aufzählen, aber dieser unvollständige Querschnitt zeigt überdeutlich, die Schützenhalle erfüllt mannigfaltige Wünsche – sie ist nicht nur – aber auch – für drei Tage Schützenfest erbaut worden.
Sie ist ein Begegnungszentrum, ein Ort der Kommunikation für unser Dorf, daher auch der Ausbau der Bürgerstube 1973 und in den letzten Jahren bis 2011.
Gerade 1972 die Erweiterung um die Garderobe und die Bürgerstube unter der architektonischen Leitung von Ferdi Gerke fügt sich lobenswert in das gesamt altfachwerkliche Gesamtkonzept ein.
Wenn auch unsere Geschäftsführer und alle Verantwortlichen unter der finanziellen Last und der nie enden wollenden Arbeit und Restauration, die ein altes Gebäude nun mal mit sich bringt, oft stöhnen (Frauen in gesetztem Alter sollen ja auch tiefer ins Schminktöpfchen greifen müssen), wir alle tun es gerne, wir sind stolz auf unsere Halle! Ein Kleinod im Sauerland.
Wir werden unsere tolle alte Dame auch in ihrem nächsten Jahrhundert hegen und pflegen.

Dr. Paul Heinz Liese
1. Brudermeister
 

Kleiner Rundgang um die Halle:


Schützenhalle von vorn

 


Schützenhall von der rechten Seite

 


Schützenhalle von hinten

 


Schützenhalle rechts hinten (Bürgerstube)

 


Antoniusbrücke hinter der Schützenhalle

 

 

Copyright: St. Antonius Schützenbruderschaft1873 e.V. Ostwig, Sauerland